Saitensprung

Ludwig Quandt auf dem Weg zum Weltrekord?

Es kann bei den 12 Cellisten vorkommen, dass man hingerissen ihrer Musik lauscht und dabei eher unauffällige Höchstleistungen nicht bemerkt. So sollten Sie den Solocellisten Ludwig Quandt nicht aus den Augen lassen. Sie haben eine reelle Chance, Zeuge einer kleinen artistischen Meisterleistung zu werden. Vermutlich aufgrund eines etwas scharfkantigen Steges pflegt Ludwigs A-Saite gerne im unpassenden Moment – etwa im Konzert – den Dienst zu quittieren: Ohne Vorwarnung reißt sie einfach durch.

So geschehen vor 5000 Zuhörern im August 2000 bei den Londoner Proms in der Royal Albert Hall. Auf dem Programm: Twelve Angry Men von Brett Dean – da muss man schon mal richtig ärgerlich rangehen. Das Schicksal nimmt seinen Lauf: Mit leisem „Plopp“ zerlegt sich Ludwigs A-Saite in zwei Teile, just an der Stelle, an der laut Notentext Ludwig sowieso eine Pause hat. Was jetzt folgt, geht so rasend schnell, dass selbst die Kollegen auf dem Podium nichts davon mitbekommen: Die Trümmer der alten Saite werden ausgefädelt und umweltgerecht entsorgt, die im Smoking verstaute Ersatzsaite wird mit geübtem Handgriff wie nebenbei hervorgeholt, am Saitenhalter eingehängt, über den Steg gezogen, flink und geschickt in den Wirbel eingefädelt, gespannt, und mit leisem Zupfen gestimmt. Gratulation: 29,1 Sekunden! Und der nächste Einsatz kam genau richtig und ganz selbstverständlich, als wäre nichts gewesen. Ludwig hatte keine Note verpasst.

Auf der Südamerika-Tournee hatte er es allerdings in 28,4 Sekunden geschafft. Also: fleissig weiterüben!