Eisregen

Am ersten Dezembersonntag des Jahres 1986, dem Tag, an dem der Eisregen kam, war für abends, 21 Uhr, im Dom zu Frankfurt am Main ein Benefizkonzert unter der Schirmherrschaft des damaligen Oberbürgermeisters Walter Wallmann vereinbart. Alles war perfekt durchorganisiert. Hin sollte es per Flugzeug gehen, für die Rückreise mußte der Nachtzug gewählt werden, denn am nächsten Morgen war Probe unter Herbert von Karajan. Der Zug, der einzige in jenen Zeiten der deutsch-deutschen Trennung, ging nachts um halb elf, Spielraum war also wenig, die Planung war professionell minutiös.

Am späten Nachmittag aber setzte in Berlin der Eisregen ein. Er putzte die Stadt zumindest verkehrspolitisch spiegelblank. Die Flüge ab Berlin wurden gestrichen. Was tun? Hier half nur das kluge Zusammenspiel zwischen internationalen und persönlichen Verbindungen. Ein PanAm-Pilot, Freund eines der zwölf Cellisten, erreichte das fast Unmögliche: die Starterlaubnis für eine Maschine, die er persönlich nach Frankfurt flog, die Musiker an Bord. Der angekündigte Konzertbeginn war bereits verstrichen, als in Frankfurt die Landeerlaubnis erteilt wurde. Auch das nur mit Mühe, denn über der Mainmetropole hing inzwischen dichter Nebel; die meisten Flüge wurden nach Stuttgart umgeleitet.

Der Pilot aber fand die rettende Lücke und landete sicher. Vom Flughafen ging es für zehn der zwölf Cellisten in schneller Fahrt zum Dom. Dort warteten die zwei übrigen auf ihre Kollegen und teilten dem gebannt-gespannten Publikum mit, wo sich die zehn Findigen aus Berlin gerade befanden. Als sie eintrafen, wurden sie mit enthusiastischem Applaus begrüßt, als sie ihr notgedrungen verkürztes Programm beendet hatten, wurden sie ebenso begeistert verabschiedet. Der Beifall galt, wie immer, ihrer künstlerischen, in diesem Fall aber auch ihrer organisatorischen Leistung.