Ein neues Repertoire

Für das erste sorgte unter anderem jene Art von Zufall, der gern mit den Erfolgreichen und Tatkräftigen ist. Wer die Geschichte der Zwölf Cellisten ein wenig mitverfolgt hat, kennt gewiß die wahre Anekdote von der fünfzehnjährigen Komponistentochter, die sich bei Regenwetter per Autostopp durch Berlin bewegte und von einem, der die Adresse und die dahinter wohnende Prominenz gut kannte, bis vor die Haustüre gebracht wurde. Zum Dank brachte sie ihren Vater dazu, eine Komposition für die Cellogruppe des Philharmonischen Orchesters zu schreiben: So entstand in drei Lieferungen eines der Werke, die zum festen Repertoire der Zwölf und zu den beliebtesten Arbeiten ihres "Erfinders" wurde: Blues, Espanola und Rumba philharmonica für zwölf Violoncelli soli von Boris Blacher, eine dreiteilige Tanzsuite, die drei Zentren des leidenschaftlichen Tanzes einen avantgardistischen Besuch abstattet: den Afro-Amerikanem in den USA, Spanien und Südamerika.

Die Erweiterung des Repertoires kam durch Aufträge zustande. Dabei taten sich die beiden ungleichen Städte, die sich heute noch Bürde und Würde einer deutschen Hauptstadt teilen müssen, besonders hervor. Beide vergaben ihre Arbeiten als souveräne Europäer ins westliche Nachbarland, nach Frankreich. Berlin machte den Anfang. Die Festspiele GmbH orderte bei Jean Francaix, dem originellen, eigenwilligen Neoklassizisten, der ästhetische Schulen und Stilzwänge ablehnt. Zu seinem viertelstündigen "Morgenständchen" ließ er sich durch Reisebriefe der George Sand inspirieren. Er versprach viel: "Das Finale meiner 'Aubade' läßt die Instrumente dröhnen - wie die Automobile beim 24Stunden-Rennen von Le Mans, meiner Geburtsstadt, so laut, daß selbst taube Zuhörer klatschen werden, angefeuert noch durch die blitzschnellen Striche der Cellobögen und die dämonischen Gesichter der zwölf Virtuosen." Theater gehört eben zur Musik. Uraufführung der freundlich temperamentvollen Serenade: 30. September 1975, Neue Nationalgalerie Berlin - das erste abendfüllende Konzert vor heimischem Publikum.

Neues Repertoire

Bonn verpflichtete lannis Xenakis, den rationalistischen Klangzauberer, der, griechischer Abstammung, in Rumänien geboren, Paris zu seiner Wahlheimat machte. Der Architekt, Mathematiker und Komponist verlangt in seinem "8-Minuten-Thriller" (Wolfgang Stresemann) so ziemlich alles, was Cellisten tonlich und im Zusammenspiel geben können. Virtuosität ist auf allen Ebenen gefordert: technisch, im Erfassen des Ganzen, im Hören und Reagieren. Die Uraufführung fand am 20. November 1976 in Gegenwart des damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel in Bonn statt. Weitere Werke kamen hinzu. Michael Braunfels, der Kölner Komponist, schrieb 1975 ein 'Symposium' für die Zwölf, Marcel Rubin komponierte 1976 im Auftrag der Wiener Festwochen ein 'Concertino', Helmut Eder für Salzburg seine "Melodia-Ritmica". Die Schwetzinger Schloßfestspiele gaben bei Günter Bialas die "Assonanzen" in Auftrag, für die Luzerner Festwochen entwickelte Rudolf Kelterborn eine "Scene für 12 Cellisten", Wolfgang Fortner griff 1983 auf das alte Genre des Madrigals zurück, mit Udo Zimmermanns Canticum Marianum verband sich der erste Auftritt der Zwölf in der DDR, bei den Dresdener Musikfestspielen.

Ein reiches Repertoire - ein modernes Repertoire - darin haben die Zwölf der philharmonischen Gesamtdramaturgie manches voraus. Jedes Jubiläum der Zwölf aber bringt eine Neuheit. 1992 schenkte Wolfgang Rihm sich zum Vierzigsten und den Cellisten zum Zwanzigsten einen "Augenblick". 1997 kam der Glückwunsch in Partitur von Brett Dean mit dem Stück: "Twelve angry men".